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Aus der Geschichte Kiel-Gaardens



Wochenmarkt am Vinetaplatz (1) Ernst und Gunda Dressler



1952 auf dem Nachkriegs-Wochenmarkt | Obst, Gemüse und Blumen
Im Bild (oben links) aus dem Anfang der 1960er Jahre, Ernst Dressler und seine Frau Gunda auf dem Gaardener Vinetaplatz. Im Hintergrund ist eine der ersten Filialen von Kloppenburg zu sehen, welche sich damals im Hause des Malermeisters „LAGONI“ befand.
Bild oben rechts aus 1961, Bild links aus 2012
Der Wochenmarkt, Tradition seit 1907, ist auch im neuen Jahrtausend so etwas wie eine Bühne für das alte Gaarden. Von jenen Wochenmarkttagen auf dem Vinetaplatz in der Nachkriegszeit weiß Frau Gunda Dressler noch ganz genau zu berichten. Sie und ihr Ehemann begannen 1952 mit einem Markthandel und verkauften an ihre Gaardener Marktbesucher frisches Obst und Gemüse.
Frau Dressler ist die Tochter einer Drogisten-Familie. Die Eltern betrieben eine Drogerie an der Ecke zur damaligen Kattenstraße - direkt gegenüber der Seegarten-Brücke.
Ernst Dressler wurde 1928 in Schlesien geboren und heiratete die zwei Jahre jüngere Gunda im Mai 1949.
Das Paar legte den Grundstein für ein erfolgreiches Familien-Unternehmen, das auch noch weit in das neue Jahrtausend von ihren zwei Söhnen geleitet wird. Der Umbau des Wochenmarktes im Rahmen der Sanierung des gesamten Quartiers wurde schon ab 1974 für den, jetzt expandierten Gartenbau- Betrieb „Dressler“, nicht mehr interessant und die Aktivitäten des Unternehmens wurden auf den Wochenmärkten auf dem innerstädtischen Exerzierplatz und dem Blücherplatz entsprechend verstärkt.

Das in ganz Kiel bekannte Garten-Center Dressler liegt am Rande der Stadt, in Russee. Hier wohnt auch Frau Gunda Dressler und das ist ihre Geschichte:
Es begann im Frühling 1952.
Kaum ein Obst- und Gemüsehändler hatte zu dieser Zeit ein eigenes Fahrzeug und so fuhren wir um 2.00Uhr - mitten in der Nacht - zunächst mit dem Fahrrad zur Tankstelle von Anton Willer in die Hermann-Weigmann-Straße. Dort war der verabredete Sammelplatz für acht, zehn oder oftmals sogar zwölf Marktbeschicker. Alle setzten sich auf die Ladeflächen der LKWs von den Speditiören „Hansen“ oder „Rehbehn“, welcher sein Büro in seiner Wohnung im Gaardener Kirchenweg Nr. 51 hatte, um nun – in aller Frühe – zum Großmarkt nach Hamburg verfrachtet zu werden.
Nicht nur die Wochenmarkthändler sondern auch das jeweilige Leergut der unzähligen Obst-Steigen sowie die hölzernen Gemüsekästen der Großhändler und Gemüsebauern aus Vierlanden waren nun dichtgedrängt mit uns auf den Fahrzeugen verstaut.
Nach mehr als eineinhalb oder oft gar auch über zwei Stunden mit angewinkelten Knien und den Rücken fest gegen die Seitenplanken gedrückt inmitten der Kisten, war es eine wohltuende Erlösung als beim Öffnen der schweren LKW-Plane uns die ersten Sonnenstrahlen begrüßten.
Es ging dann sofort ans Einkaufen der frischen Waren wie dem Obst - je nach Angebot , dem Gemüse – das knackte noch richtig, so frisch war es - und der bunten Pracht von Blumen aus den Treibhäusern regionaler Gärtner. Alles wurde neben die LKWs unserer Speditionen gestapelt um anschließend in einer genauen Reihenfolge – nach Händlern sortiert – verladen zu werden.
Am nächsten Morgen, ca 5.00Uhr stapelte sich, nach Artikeln sortiert, jeder der Wochenmarkt- Beschicker „seine“ Ware fein säuberlich neben seinen Marktstand.
Das Wort Logistik kannte noch keiner im Jahr 1952. Aber hier muss von einer logistischen Meisterleistung gesprochen werden. Es klappte einfach Alles.
Ausnahmslos zufriedene Kunden waren dann der Lohn für die Strapazen. Kenner, die ja immer in aller Frühe auf den Markt kamen, wussten genau wo sie das frischeste Gemüse angeboten bekamen. Sie erkannten genau, dass das Knacken und Knirschen der Ware an der absoluten Frische lag.
Frisch – genau das war es, was die Menschen auf die Wochenmärkte in der Stadt zog. Es wurde nach dem Krieg und der Zeit vieler Entbehrungen wieder auf ein qualitatives, gutes Essen besonderer Wert gelegt. Die Märkte wurden folglich immer voller – auch auf dem Vinetaplatz.
Der Vinetaplatz wurde ab 1958 unser Hauptmarkt. Es gab auf dem Markt zu dieser Zeit keine freien Standplätze mehr. Wir begannen dort um 4.30Uhr um gleich mit allem Elan, gepaart mit einer großen Portion guter Laune, dem Kundenansturm gerecht zu werden.
Neben uns gab es noch weitere Anbieter von Obst, darunter auch Südfrüchte, Gemüse und Blumen, Topfblumen, Schnittblumen und Balkon- sowie Gartenpflanzen – die ganze Palette.
Andere Stände handelten mit Fisch, Fleisch und Wurst oder mit Eiern und Käse – eben alles, was der Kunde an Frischware auf einem großen Wochenmarkt erwartete.
Überwiegend haben die Leute noch Plattdeutsch gesprochen – von den Markthändlern sowieso aber auch von vielen Gaardener Kunden. Es wurde stets und mit allen viel erzählt und sehr viel gelacht. Trotz einer regen Betriebsamkeit und der engen Fülle auf dem Markt, überstrahlte alles eine gewisse dörfliche Ruhe und Harmonie. Keiner hatte es sonderlich eilig.
Das Markt-Gewerbe fand unter freiem Himmel statt und war natürlich höchst wetterabhängig. So konnte ein verregneter Markttag schon mal recht unangenehm ans Nervenkostüm gehen. Da erinnere ich mich an ein fürchterliches Unwetter. Die Gully-Deckel in der tiefer liegenden Elisabethstraße wurden hochgedrückt und überall auf dem Vinetaplatz schwammen Kartons und Kisten aber auch jede Menge Ware. Es war ein fürchterliches Gewitter und ein Wochenmarkt-Chaos. Trotzdem sind wir am nächsten Samstag alle wieder auf dem Markt gewesen – alle Händler und alle Kunden.
Es war eine Zeit von ungebremsten Optimismus und gegenseitiger Motivation.
Kiel, im Juli 2014
Gez.: Gunda Dressler

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