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Aus der Geschichte Kiel-Gaardens



„Tante Minna“ (Teil 1)



Vom Gaardener Amüsierlokal mit besonderem Flair zum Hotel Runge
Bekannt bis weit über die Grenzen Kiels hinaus


Bereits im Jahre 1865 entstand auf dem Ostufer die „Norddeutsche Werft“, die spätere Germaniawerft, welche 1895 von der Firma Krupp übernommen wurde. Sie war weitgehend auf den Kriegsschiffbau konzentriert, nicht nur für die deutsche Marine, sondern auch für zahlreiche ausländische Flotten. Und als die Stadt zum Reichskriegshafen 1871 erklärt wurde, entstand mit der Kaiserlichen Werft eine neue Schiffbauindustrie auf dem Ostufer. Sie verdrängte bald die dort ansässigen Fischersiedlungen und Dörfer und in ihrem Hinterland wuchsen die für diese Zeit modernen Arbeitersiedlungen heran. So wurde Gaarden der Wohnort für unzählige Werftarbeiter mit ihren Familien. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg beschäftigte allein die Germania-Werft fast 7.500 Arbeiter.
Von der Hörn bis nördlich der Schwentine reihten sich also drei große Werften aneinander: Die Germaniawerft, die Kaiserliche Werft und die Howaldtswerke. Sie beschäftigten zusammen 1882 etwa 5.800 Arbeiter, 1900 schon über 11.000 und 1913 bereits 17.500 Arbeiter.
Mit dem Bau der Werften kamen auch die Gastwirte nach Gaarden. Einer der ersten war August Singelmann in der Elisabethstraße Nr. 16.
Im Jahre 1904 kaufte Wilhelm Schnoor das Haus und die Gaststätte von August Singelmann und machte daraus die „Restauration mit Destillation – Wilhelm Schnoor“. Eine Gaststätte mit Stehbierhalle..

In dem großen Eckhaus wohnten mit der sechsköpfigen Familie des Gastwirt-Ehepaars auch noch weitere 25 Familien. Auf dem Hof war eine Waschküche und in einem hinteren Teil des Gebäudes war die Schnaps- Destilliere des Gastronomie- Unternehmens untergebracht.
Als sehr plötzlich Wilhelm Schnoor schon 1909 starb und ihm im Jahr 1915 auch noch die Ehefrau und Mutter der Kinder folgte, sollte die nun erst siebzehnjährige Tochter, Minna Schnoor nicht nur das Lokal bewirtschaften sondern sich auch noch um die drei Geschwister kümmern. Von denen hat zu dieser Zeit jede eine mittlere Reife absolviert und sie lernten perfekt Klavier spielen.

Minna heiratete 1918 Karl Heermann und 1921 wurde ihnen die Tochter Ilse geboren. Als dann 1929 der Ehemann Karl Heermann starb, war Minna wieder mit ihrer Gaststätte und einem erst achtjährigem Kind allein. Sie konnte ihre Gastwirtschaft durch die Wirtschaftkrise mit dem berüchtigten „Schwarzen Freitag“ bringen und auch die nachfolgende Inflation überstand sie ebenso mit der finanziellen Hilfe ihrer Tante Dora. Die Aufrüstung im Dritten Reich bescherte den Arbeitern auf den Werften wieder ein gutes Einkommen. Die Werftarbeiter kehrten nach Feierabend bei „Tante Minna“ ein, tranken Bier, erzählten und feierten - Freitags auch ausgiebiger.

Nach 25 Jahren Seefahrt kehrte im Jahr 1937 der Seemann Albert Runge in Minnas Bierlokal ein und blieb. Er heiratete 1938 die Wirtin und 1939 wurde der Sohn Rolf geboren, der leider 1945 an Diphterie starb. 1941 war ihnen noch eine Tochter, Hanne Margarethe, geboren worden.
Seit der Zeit mit Albert hat Minna auch das Lokal unter dem Namen Runge geführt.

Im Mai 1943 war einer der heftigsten der alliierten Bombenangriffe auf Kiel. Selbst ganze Straßenzüge fielen den Brandbomben zum Opfer. Zurück blieben nur noch Schutt und Trümmer.
Im November 1944 wurde auch die Gaststätte und das große Eckhaus der Familie Runge in der Elisabethstraße Nr. 16 eine Ruine. Jetzt waren die Runges „ausgebombt“ , wie es zu dieser Zeit hieß und die Drei fanden vorübergehend in Schulensee eine „Einquartierung.

Nach der für alle sehr entbehrungsreichen Nachkriegszeit waren erst 1947 die meisten Trümmer in Kiel beseitigt und der Wiederaufbau der Stadt konnte beginnen. Nur langsam, verbunden mit sehr viel Mühe, Kreativität und mit professioneller Geschäftstüchtigkeit, gelang es Minna Runge das Lokal durch alle Wirren hindurch zu erhalten. Es ging aufwärts in Kiel und aufwräts mit Gaarden und der jetzt einzig übrig gebliebenen Howaldt-Werft.
Die Gaststätte füllte sich mehr und mehr.

In der Mitte des Jahres 1947 kam auch die Tochter Ilse aus der ersten Ehe von Minna Runge zur Hilfe mit ins Geschäft.
Bilder: Walter Ehlert
>>> Weiterlesen: „Tante Minna“ (Teil 2)
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