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Aus der Geschichte Kiel-Gaardens



Stahl & Stiller (Teil 1)



Zentrales Kaufhaus für Heimtextilien im kaiserzeitlichen Prachtbau am Vinetaplatz
Erst mit dem Bebauungsplan von 1900 wurde im Jahre 1903 die Elisabethstraße bis zum Karlstal weiter bebaut. Der Vinetaplatz entstand und um ihn herum hatten die großen Mietshäuser aufwendiger gestaltete Fassaden als die vergleichbaren großen Häuser anderer Gaardener Straßen. Am auffälligsten jedoch ist - auch bis heute noch - das etwas klotzige, vierstöckige Gebäude zwischen der Elisabethstraße und der Wikingerstraße. Mit den damals reich verzierten Ecktürmen und den immer noch herausragenden mächtigen Erkern an allen Seiten, entsprach der Baustil so den prächtigen Häusern, die links und rechts am Berliner Kurfürstendamm zu finden waren. Das Gebäude zeigt mit seiner äußerlich sehr beeindruckenden Gestaltung den architektonischen Zeitgeist und wohl auch das Glanz- und Gloria-Denken im damaligen kaiserlichen Kiel.
In diesem so auffälligen und absolut zentral gelegenem Haus in der Elisabethstraße 59, eröffneten Christian Stahl und Gustav Stiller am 3. November 1906 ein zunächst recht kleines Kurzwaren- Geschäft. Sie waren die ersten Mieter in diesem Neubau, welchen der Vertreter für Manufakturwaren, Michael Siemen und der Buchbinder Riemer gemeinsam erbaut hatten.
Die beiden Männer waren aus bürgerlichen Verhältnissen und bereits seit ihrer Kindheit sehr eng befreundet. Sie wussten durch das erlernte kaufmännische Wissen auch vom damit verbundenen Umgang mit Geld und Bankgeschäften. So erweiterten sie mit diesen ihren Fähigkeiten das Sortiment in dem angemieteten Geschäftsraum. Als dieser zu klein wurde, mussten weitere Ladenflächen in dem Haus dazu gemietet werden. Bis die beiden recht sparsamen und wirtschaftlich denkenden Herren 1909 – nach nur drei Jahren - das Haus dem Michael Siemen aus dem Sophienblatt Nr. 1 und der Witwe des Buchbinders Riemer abkaufen konnten.
Christian Stahl stammte aus Nortorf, wo er am 31. Dezember 1878 geboren wurde. Er heiratete im Jahre 1910 die Kielerin Christine Behrens und 1911 wurde dem Ehepaar der Sohn Wilhelm geboren. Im gleichen Jahr berief die Gaardener Volksbank Christian Stahl in den Aufsichtsrat.
Die Firma war jetzt unter dem Namen Stahl & Stiller, Manufaktur-Handel und Warenhaus für Beamte im Handelsregister eingetragen.

Aus der Firma Stahl und Stiller wurde ein Familienbetrieb als Gustav Stiller die Schwester von Christian Stahl, Grete zur Ehefrau nahm.
Das Geschäft konnte nun nach dem Kauf des gesamten Mietshauses weiter ausgebaut werden um so den Wünschen der Gaardener Kundschaft, denen es aufgrund der regen Schiffbautätigkeiten auf den Werften sehr gut ging, gerecht zu werden. Die Erweiterung sollte sich bis in den ersten Weltkrieg hinein so weit fortsetzen, dass das komplette Heimtextil-Sortiment vom Kaufhaus Stahl & Stiller angeboten werden konnte. Außerdem hatte sich das Haus in den Jahren bis weit über die Grenzen des Stadtteils Gaarden einen guten Namen gemacht und somit kamen auch Kunden aus den benachbarten Stadtteilen und auch vom Westufer der Kieler Stadt. Eine noch recht kleine Damenmode-Abteilung rundete das Warenangebot ab. Auf dem Hof – erreichbar über die Haustür oder der Einfahrt in der Wikingerstraße – hatten Stahl und Stiller einen Verkaufsraum an einen Herren-Ausstatter vermietet. Bis 1916 machte das gesamte Geschäft der Herren Stahl und Stiller einen beachtlichen Umsatz, der folglich durch die Kriegseinwirkungen stark einbrach. In den Jahren bis 1919 hat sich die Bevölkerung nicht nur in Gaarden stark einschränken müssen. Es gab Lebensmittel und Bekleidung nur mit Zuteilungsscheinen und in vielen Städten kam es sogar zu Hungersnöten. Erst mit den „Goldenen Zwanziger Jahren“ kam zunächst ein leichter wirtschaftlicher Aufschwung, den dann auch das Kaufhaus am Vinetaplatz spürte.
In der Zeit nach dem ersten Weltkrieg kaufte sich das Unternehmen weitere Immobilien in der nächsten Umgebung ihres Geschäftes. So auch ein großes Eckhaus mit vielen kleinen Ziergauben an der Johannes- und Elisabethstraße, welches aber – so wie einigen mehr der von Christian Stahl erworbenen Häusern – den Bomben des zweiten Weltkrieges zum Opfer fiel.
Zunächst einmal wurde der Junior Wilhelm Stahl, nach Beendigung der Schule und einer Lehre im elterlichen Hause, in die Welt hinaus geschickt.
Zwei Häuser an der Ecke Elisabethstr. und Johannesstr. Das Haus Elisabethstr. Nr. 51 wurde Heimanns Erben aus Marburg abgekauft. Das Haus Elisabethstr. Nr. 48 gehörte bereits vor 1915 privat den Herren Stahl und Stiller gemeinsam.
So fuhr also Wilhelm Stahl zur Erweiterung seiner Kenntnisse 1928 nach Hagenow und im Jahre 1931 nach Reutlingen. Dort ging er auf die Textilfachschule, von wo aus er dann bis 1933 beim Textilhändler Kreppna in Lüneburg tätig war. Abschließend war Wilhelm Stahl auch noch in Husum und in Schleswig bei Nissen sowie immer wieder in den Filialen des Unternehmens Stahl & Stiller in Itzehoe und Neumünster tätig. Bis er 1936 in die Geschäftsleitung des Gaardener Hauses aufsteigen konnte.
Aber Wilhelm blieb nicht lange in Kiel – er musste 1939 zu den Soldaten an die Westfront. Später ging es auch in die Schützengräben nach Russland, wo der junge Stahl durch einen Schuss ins Bein und in die linke Hand so stark verletzt wurde, dass die getroffene Hand im Gelenk steif blieb.
In Gaarden fielen die Bomben und machten 1943 das gesamte Viertel zu einer Ruine. Fast alle Häuser in der unteren Elisabethstraße wurden bis zum Vinetaplatz hin dem Erdboden gleich gemacht. Das prächtige Geschäftshaus büßte seine Türme ein und wurde auf der Seite der Wikingerstraße sehr stark zerstört. Die oben abgebildeten Eckhäuser gab es nach dem 14. Mai 1943 auch nicht mehr.
Weiterlesen: Stahl & Stiller (Teil 2)
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