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Schuhhaus Ganzenmüller (Teil1)



Der heutige Stadtteil Gaarden-Ost wurde erst 1901 in die Stadt Kiel eingemeindet. Es entstand danach ein reges Treiben in diesem Quartier, welches so nahe an den aufstrebenden Werften auf dem Ostufer lag.
Hier in Gaarden reihte sich ab 1901 Neubau an Neubau und mit ihnen entstanden auch die vielen kleinen und mittleren Geschäfte, welche in jeder Straße Gaardens zu finden waren.
In mehreren Häusern entstanden größere Läden, die sich mit ihren Schaufensterfronten über das ganze Erdgeschoß ausbreiteten. Produkte des täglichen Lebens und auch Luxusartikel fanden hier unter den Werftarbeitern eine interessierte Käuferklientel. Am Anfang des neuen Jahrhunderts entstand in Kiel der neue und bis zum heutigen Tage sehr lebendige Stadtteil Kiel-Gaarden.
Schon 1899 führte der Weg des wandernden Schuhmachers, Karl Gottfried Ganzenmüller aus dem königlichen Württemberg, nach Kiel. Er ging aus Bopfingen in Schwaben, wo er am 17. Dezember 1872 zur Welt kam, auf Wanderschaft in Richtung Norden. Als in Hamburg 1892 die Cholera ausbricht und 9.000 ums Leben kamen, flieht der junge Schuhmacher weiter bis nach Ostholstein. Von da aus verschlug es ihn dann nach Kiel. Karl Ganzenmüller eröffnete dann 1899 in dem Haus „Damenstraße“ Nr. 52 (Bild oben links) sein erstes Kieler Schuhgeschäft und wurde, weil er die Offiziere und Mannschaften der Marine mit Seestiefel versorgte, sogleich kaiserlicher Hoflieferant.
(Die Damenstraße war einst ein sehr sandiger Spazierweg, der erst durch die Finanzierung der Damen aus Kiels besserer Gesellschft, gepflastert wurde und somit zu dem Namen kam. 1904 wurde die Straße umbenannt in „Am Wall“ und 1906 nur noch „Wall“. Die Damen, die heute hier ihrem Gewerbe nachgehen kamen erst viel später.)
Im Jahre 1900 heirateten in der Nicolai-Kirche Karl Gottfried Ganzenmüller und die - aus Mecklenburg von einem Gut stammende - Emma Marie Elisabeth Schöning. Sie brachte ein uneheliches Kind mit in die Ehe. Der Mecklenburger Gutsherr vermachte der jungen Mutter eine größere Geldsumme und dieses Geld brachte Emma Marie mit in die Ehe. 1904 kaufte das Ehepaar Ganzenmüller das Haus Elisabethstraße Nr. 55 für 38.550 Goldmark sowie das daneben liegende Grundstück für weitere 6.000 Goldmark. (1 Goldmark in 1900–1912 = 5,17 Euro in 2014)
Im Kaufvertrag mit dem Zimmermannsmeister Blöcker war vereinbart worden, dass der Verkäufer Blöcker auch ein Mietshaus auf dem Nachbargrundstück (Elisabethstraße Nr. 57) für Ganzenmüller errichten musste.
Das erste große Schuhgeschäft mit dem Namen „Ganzenmüller“ wurde im Jahre 1905 in der Elisabethstraße Nr. 55 eröffnet. (Bild oben rechts)

Das zweite Gaardener Schuhgeschäft von Scheffler befand sich schräg gegenüber dem neu eröffneten Laden. Aber der wirtschaftlich aufstrebende Stadtteil bot für beide Fachgeschäfte beste Voraussetzungen für einen lukrativen Umsatz.
Am 14. April 1909 erblickte im Hause Ganzenmüller die nächste Generation das Licht der Schuhhandelswelt. Karl Georg Jakob Ganzenmüller wurde geboren. Nach Beendigung seiner Schulzeit lernte Karl Georg zunächst den Beruf des Bankkaufmanns und übernahm erst 1935 von seinem Vater die Geschäftsführung des Schuhladens in der Elisabethstraße.

Karl Georg heiratete im Jahre 1935 Maria Reuffenheuser, die eine gelernte Textil-Kauffrau aus Köln war und später mit ihrem kaufmännischen Geschick und einer beispiellosen Energie das Gaardener Fachgeschäft für Schuhmoden über viele Jahre hinweg leiten musste.
Das Ehepaar hatte fünf Kinder: Karl Anton Ganzenmüller wurde im Juli 1936 als ältester Sohn und potenzieller Geschäfts-Nachfolger geboren. Es folgten 1938 – Elisabeth – 1939 Elke – 1943 Robert, der später in der Augustenstraße einen Elektro-Betrieb führte und im Jahre 1945 wurde der jüngste Sohn Rolf geboren.
Aber zu allem Kindersegen kam, dass der Vater Karl Georg in den Krieg – nach Stalingrad - musste. Von dieser schrecklichen Schlacht des Russland-Feldzugs wurde Karl Georg im Jahre 1942 mit übelsten Verletzungen ausgeflogen. Das linke Auge hatte er verloren und der Oberschenkel wurde ihm durchschossen. Beide Wunden wollten auch im Kreise der Familie in Kiel nie wieder ganz ausheilen.
Und dann gingen in den letzten Kriegstagen – am 20. April 1945 – noch Bomben auf Gaarden nieder, die das Haus Ganzenmüllers vollständig zerstörten. Alle die ansehnlichen Häuser aus der Gründerzeit in der Elisabethstraße bis hin zur Augustenstraße wurden endgültig zu schwarzverkohlten, unbewohnbaren Ruinen.

Erst 1949 gelang es Karl Georg Ganzenmüller sein Geschäft wieder zu eröffnen. Er hatte das Haus nur mit dem Erdgeschoss und dem Keller wieder neu errichten können. Schleppend begann nun in Deutschland, in Kiel, in Gaarden und in dem neuen Schuhgeschäft von Ganzenmüller ein wirtschaftlicher Aufschwung.
Karl Georg Jakob Ganzenmüller erlebte den großen Erfolg seines neuen Schuh-Geschäftes nicht mehr. Er erlag bereits im Jahre 1951 seinen Kriegsverletzungen, so dass plötzlich seine Witwe Maria mit fünf Kindern und der Geschäftsführung allein dastand. Die Dame bewältigte zu dieser Zeit jede der ihr gestellten Aufgaben und führte das kleine Unternehmen in eine neue Zeit. Der erstgeborene Sohn, Karl Anton Ganzenmüller ging zunächst auf die Kieler Hebbel-Schule und sollte eigentlich hier mit dem Abitur abschließen. Aber die häuslichen und besonders die geschäftlichen Verhältnisse forderten den früheren Einstieg in eine der Familien-Tradition entsprechend angepasste Aufgabe. Er verließ die Schule mit mittlerer Reife. Anschließend absolvierte der junge Karl Anton seine Schuhverkäufer- Lehre in der Holtenauer Straße Nr. 14 bei August Victor und erweiterte danach seine Fachkenntnisse in den großen Schuhgeschäften – mit 60 Meter langen Schaufensterfronten - des Schuh-Königs von Westphalen – Gerstenberg. Allein im Geschäft der Stadt Hamm waren 60 Verkäufer und Verkäuferinnen angestellt.

1961 kehrte Karl Ganzenmüller jun. auf Wunsch seiner Mutter wieder zurück nach Kiel. Er musste jetzt in das Familien-Unternehmen einsteigen, so dass er im Jahre 1963 die Geschäftsführung übernehmen konnte.

Im Jahre 1963 heirateten Karl Ganzenmüller und die damals 25 jährige Ursula Behrwind. (im Bild links)
Ursula Ganzenmüller trat in jeder Hinsicht das Erbe ihrer Schwiegermutter an. Auch Sie wurde die Seele der Gaardener Geschäfte und im Kreise ihrer 12 Mitarbeiterinnen sowie laufend zwei Lehrlingen eine hoch respektierte Chefin.
(Bild links: Alle Mitarbeiter hatten sich anlässlich des 75jährigen Jubiläums kostümiert)
Das Ehepaar Karl und Ursula Ganzenmüller bekam zwei Töchter und einen Sohn, die jedoch keine Ambitionen zum Schuhhandel entwickeln konnten. Karl ließ bereits 1970 den Hof hinter dem Haus Elisabethstraße Nr. 55 derart überbauen, dass jetzt eine umfangreiche Abteilung für Kinderschuhe darin Platz fand. Nachfolgend wurde eine Filiale in Wellingdorf – gleich neben dem Kaufhaus Marckmann – eingerichtet.
Weiterlesen: Schuhhaus Ganzenmüller (Teil 2)
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