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Aus der Geschichte Kiel-Gaardens

Der Vinetaplatz und die Moorlinse



Viele Gaardener Straßen haben ihren Namen von Kriegsschiffen erhalten. So verdankt dann auch der Vinetaplatz einem Kreuzer Seiner Majestät Kaiser Wilhelm des Zweiten seinen Namen.

Der Kreuzer SMS Vineta lief am 9. Dezember 1897 auf der Kaiserlichen Werft in Danzig vom Stapellauf und wurde am 13. September 1899 erstmals in Dienst gestellt. Ebenso wie ihre Schwesterschiffe wurde die Vineta in der Folgezeit als Schulschiff für Seekadetten und Schiffsjungen hergerichtet. Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges lag die Vineta in Wilhelmshaven in der Werft.
Sie wurde vom 27. August 1914 an in der westlichen Ostsee im Vorpostendienst eingesetzt. Am 16. November 1914 wurde die Vineta außer Dienst gestellt und lag zunächst ungenutzt in Kiel. Der Kreuzer diente dort von 1915 bis Kriegsende als Wohnschiff für U-Boot-Besatzungen. 1920 wurde das Schiff in Hamburg abgewrackt.

Nach 1918 wurde der Vinetaplatz, obgleich er nur für wenige Tausend Menschen Raum hat, zu einer Stätte politischer Kundgebungen auf dem Ostufer. Dort versammelten sich die Werftarbeiter zu Kundgebungen ihrer Partei oder Gewerkschaft, dort hielten Politiker anderer Parteien ihre Reden, wenn sie vor Kommunal- und Reichstagwahlen zur Kieler Arbeiterschaft sprechen wollten.

Wie bei vielen anderen Plätzen und Straßen geschehen, ereilte auch den Vinetaplatz die Propagandamaschinerie der Nationalsozialisten. Laut einem Plan aus den Jahren 1940/41, sollte der Vinetaplatz zum Aufmarsch-Platz für das „Dritte Reich“ werden.
Goebbels beabsichtigte die schon schiefen Häuser an der Elisabethstraße abzureißen, den Vinetaplatz bis zur Schulstraße zu erweitern und eine Fläche für bis zu 20000 Menschen erbauen zu lassen.
Aus diesen Großmachtplänen ist allerdings nichts geworden.
Es musste stattdessen ein Tiefbunker unter dem Platz gebaut werden, der im Krieg schwer beschädigt und 1946 endgültig zugeschüttet wurde.
Der gesamte Vinetaplatz ist während des 2. Weltkrieges oft bombardiert worden und es brauchte eine sehr lange Zeit, bis der Platz wieder völlig neu gestaltet und auch die schiefen Häuser an der Westseite ganz neu errichtet worden sind.
Die Elisabethstraße begrenzte den Vinetaplatz an seiner Westseite und hatte im Erdgeschoss der Häuser vom Karlstal an bis zur Norddeutschen Straße hinunter ein Geschäft neben dem anderen. Dieser Teil der Elisabethstraße war seit 1906/07 die Haupteinkaufsstraße des Stadtteils und das ist sie bis heute noch. Nach einer Untersuchung von 1982 kauften 83% der Gaardener Bevölkerung regelmäßig in Gaarden ein. 58% der Gaardener suchten nur sehr selten oder maximal einmal pro Monat die Kieler Innenstadt auf.

Nach dem Zweiten Weltkrieg baute das Textilkaufhaus Stahl & Stiller in die Ruinen der beiden Häuser mit der Hausnummer 58 und 60 eine Schaufenster-Reihe ein, welche bis zur Sanierung des ganzen Quartiers die gesamte Front einnahm. Das ehemalige Haus mit der Nr. 60 ist im Adressbuch Kiel von 1915 mit dem Schlosser Segebarth als Eigentümer eingetragen. War im Jahre 1915 noch kein Geschäft in diesem Haus eingetragen, so eröffnete im Jahre 1925 lt. AB jener Segebarth im Erdgeschoss einen Handel mit Lampen und daneben war jetzt der Butterhändler Jensen & Madsen mit seinem Laden. Im Adressbuch von 1934 ist verzeichnet, dass Segebarth das gesamte Erdgeschoss zu einem Lebensmittel-Geschäft umgebaut hatte, welches er auch selbst betrieb. Dieses Haus wurde vor dem Nachbarhaus im Zweiten Weltkrieg zerstört.

Das Haus Nr. 58 gehörte lt. Adressbuch ab 1915 dem Dreher Plöhn. Im Erdgeschoss befand sich schon damals die Lederhandlung der Gebrüder Arp sowie im ersten Stockwerk die Wohnung des Juweliers Baumgarten. Baumgarten hatte sein Geschäft zunächst nur im Haus Nr. 56. Er 1934 seinen Laden bis in das Nebenhaus Nr.58 hinein. Das Geschäft wurde in der sogenannten „Reichskristallnacht“ durch die Nazi-Schergen der S.A. total zerstört. Der Verbleib der Familie Baumgarten ist unbekannt. Auch das Haus Elisabethstraße Nr. 58 wurde ein Opfer der Bomben.

Die Häuser, die einst am Vinetaplatz entstanden, wurden in den 1980er Jahren abgerissen und machten so Platz für einen Neubau-Komplex. Der Abriss war durch die Absenkung der Häuser, die sich nahezu einen Meter in die darunter liegende Moorlinse abgesunken hatten, immer akuter.
Es war zwar von den Erbauern eine dicke Betonplatte als Fundament verlegt worden und eine unterirdische Beek (von der Mühlenau), die einst hier wohl überirdisch noch plätscherte, wurde beim Bau unter jene „schiefen Häuser“ einfach zugeschüttet.

Der Goldschmidt Arthur Petersen ahnte schon vor 1920, dass die Häuser am Vinetaplatz, wegen des moorigen Untergrundes, dem Verfall ausgeliefert waren und somit dem Abriss immer näher kommen würden. Arthur Petersen wusste, dass sein Haus mit den Nachbarhäusern auf einer Betonplatte und eben nicht auf einer stabilen ausreichenden Pfahlgründung erbaut worden waren. All seine Einwendungen blieben ungehört, so auch eine Eingabe aus dem Jahre 1931 an den Polizeipräsidenten.

Bei der Sanierung diente eine Pfahlgründung aus Betonpfählen als Fundament und der zugeschüttete Bach wurde so drainiert, dass jeder noch heute das Plätschern durch die Rohre unter dem Vinetaplatz hören kann.
Die Häuser, die nicht auf dieser Moorlinse standen, blieben selbstverständlich vom Abriss verschont. Schon die Bauherren dieser Häuser, wie Robert Minsel und Jürgen Husfeldt wussten bei der Bebauung ihrer Grundstücke durchaus von dem benachbarten Moor-Untergrund und hatten ihre Gebäude sehr bewusst daneben - Elisabethstraße 56 und 54 - errichtet.
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