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Aus der Geschichte Kiel-Gaardens

Schwarzmarkt in der Iltisstraße

Kindheitserinnerungen



Begonnen hat der Schwarzmarkthandel im oberen Teil der Iltisstraße, also von der Preetzer Chaussee bis zum Eingang der Jungenschule. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie wir Kinder anfingen mit den befreiten russischen Soldaten kleine Dinge (Kämme, Bürsten und solche Sachen, die wir in den Familien hatten, meistens aus den geplünderten Marine-Magazinen) zu tauschen.
Mein erster „Erfolg“ war ein Kamm gegen eine Dose Puderkaffee. In der Erinnerung habe ich auch noch Erdnussbutter, auch für uns etwas völlig neues. Die Russen hatten diese Dinge in den Carepaketen, die sie von den Engländern bekamen und mit denen sie nichts anfangen konnten.
Dieser ungleiche „Waren-austausch“ dauerte nicht lange, die Russen waren ja nicht dumm. Hinzu kam eine Schwierigkeit anderer Art – der Tausch wurde verboten und musste also nun heimlich getrieben wer-den. So lagen wir dann auf der kleinen Wiese vor der Schule und wartete auf den Tauschpartner. Der kam dann nach längerer Zeit, legte sich neben einem und schob dann das Döschen (es waren ja nur kleine Portionsdosen in den Paketen) abgedeckt zu und rüber. Neben-bei: Die Carepakete wurden einige Zeit lang im Iltisbunker gelagert, bewacht von bewaffneten befreiten belgischen Gefangenen.
Einen etwas größeren Handel konnte mein Vater einmal vollbringen. Unter den Russen gab es einen Uhrmacher, der an jeder kaputten Uhr interessiert war und natürlich an entsprechendes Werkzeug.
Da hatten wir wohl einiges, was mein Vater dafür erhandelt hat, weiß ich aber nicht mehr. In meiner Erinnerung steckt noch folgendes: Eines Tages saßen auf den Stufen am Eingangstor zur Mädchenschule drei Polen, die in Taschen Tauschware anboten. Was sie dabei hatten, weiß ich nicht mehr.
Für mich war das immer der Anfang von dem schwarzen Markt, der sich dann so ab Spätsommer / Herbst an besagter Stelle entwickelte. Im Dezember gab es dann die erste Razzia, aber nicht von der Polizei, sondern von Kollegen der Germaniawerft. Den genauen Tag weiß ich nicht mehr, aber erlebt habe ich die Aktion, die der Betriebsrat der Werft organisiert hatte. Für eine Kinder-Weihnachtsfeier der Betriebsangehörigen sollten auf dem Schwarzmarkt Nahrungsmittel organisiert werden. Und so kamen an einem frühen Dezemberabend ein Löschfahrzeug der Betriebsfeuerwehr und wohl noch ein LKW besetzt mit Arbeitern angebraust. Sie kamen die Preetzer Chaussee hoch und fuhren in die Iltisstraße rein. Die ganze Aktion brachte aber nicht viel ein, denn man hatte einen taktischen Fehler begangen. Als die Massen begriffen, was los war, flüchteten sie durch die Blitzstraße und in Richtung Brook davon.
Der taktische Fehler bestand darin, diese Fluchtwege nicht beachtete zu haben, d. h. den „Angriff“ nur von der Chaussee-Seite aus unternommen zu haben. Wie gesagt, ich war an jenem Abend auf dem Markt und habe so die Aktion gesehen. Ob ich auf der Straße war, weil ich von der geplanten Aktion durch meinen Vater, der im Betriebsrat war, wusste, weiß ich nicht mehr. Ich glaube eher nicht, darüber hat Vater mit mir wohl erst hinterher gesprochen. Es muss dann wohl auch noch einen Rüffel durch die Besatzungsbehörde gegeben haben, der die Aktion überhaupt nicht gefallen hat. Die dann folgenden Polizei-Razzien unter britischem Kommando haben diesen taktischen Fehler nicht gemacht. Ich sehe heute noch vor meinen Augen den britischen Offizier, der auf der Mauer am Schulhof der Mädchenschule hin- und her marschierte, dabei mit seiner Gerte gegen den Stiefelschaft schlug und von dort aus die Aktion beobachtete. Wann dann der „Umzug“ des Schwarzmarktes an die Kreuzung stattfand und wie lange er dort stattfand weiß ich nicht.
Leipzig im Februar 2013
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