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Aus der Geschichte Kiel-Gaardens



Geschichten vom Krieg
in der Iltisstraße

Die Bomben und der Bunker, Teil 1



Kiel war als Reichskriegshafen und Rüstungszentrum mit hochspezialisierten Werften im Zweiten Weltkrieg ein vorrangig vom Luftkrieg betroffenes Ziel.
Der erste Großangriff auf Kiel fand schon am 02.07.1940 statt. 1941 nahmen die Bombenabwürfe spürbar zu und am 28./29. März 1942 wurde die Stadt erstmals künstlich vernebelt, um den feindlichen Bomberpiloten die Orientierung zu erschweren. Von 1943 an verstärkte sich das Ausmaß der Bombenangriffe, der Luftkrieg nahm immer schrecklichere Ausmaße an. Tagsüber flogen die Amerikaner Angriffe, nachts kamen die britischen Bombergeschwader.
Der von Josef Goebbels im Berliner Sportpalast ausgerufene „totale Krieg“ wurde hier bittere Realität. In den letzten drei Kriegsmonaten gab es fast täglich Bombenangriffe auf Kiel, das insgesamt 633 Vollalarme erlebte.

In den Jahren als die ersten Flieger-Alarm-Sirenen ihr fürchterliches, markerschütterndes Geheul ausstießen, 1941 und 1942 suchten die Hausbewohner der Iltisstraße und der weiteren Umgebung noch die Keller der Häuser, die teilweise auch durch Markierungen als Luftschutzräume gekennzeichnet waren, auf. Noch bis in die 1960er Jahre waren die weißen Pfeile an den Fassaden mit den Buchstaben LSR für Luftschutzraum blass zu erkennen.
Ein sogenannter Blockwart sorgte dafür, dass alle Leute in einem geordneten Ablauf die Keller aufsuchten. Der Blockwart wohnte in der zweiten Etage des Hauses Iltisstraße 49 und war einst ein einfacher Werft-Arbeiter, der aber schon 1938 im Adressbuch als „Hobler“ betitelt wurde. Welch eine Karriere. Als in einer Bombennacht alle Einwohner des Hauses Iltisstraße Nr. 49 sich im Keller mit Hab und Gut versammelt hatten, da stellte sich der Blockwart in die Mitte und erhob seine Stimme: „Wenn Hitler den Krieg verliert, dann häng ich mich auf“. Und draussen ging die Welt unter.

Der Takler Mayland, der im dritten Stock des Hauses bei seiner Schwester wohnte, war als sehr besonnen und auch als weise bekannt. Er sagte dazu zu diesem Nazi-Blockwart: “Du brauchst dich nicht aufzuhängen, das machen dann schon andere“ Auffallend nach dem Krieg war, dass jener Blockwart immer mit einem dicken Handstock auf die Straße ging -
gehbehindert war er aber nicht.
Mit den immer zunehmenden Bomber-Angriffen suchten alle Bewohner dieser Gegend den Iltisbunker auf. Dazu lagen immer einige wichtige Sachen bereit, z.B. ein kleiner Koffer mit Dokumenten, Fotos und für die Kinder ein wenig Spielzeug.
Oftmals war die Zeit vom Alarm bis zum Angriff so kurz, dass sich die Menschen nicht mehr anziehen konnten.

Das hieß, sie schliefen oftmals schon in ihrer Kleidung bis auf die Schuhe.
Vor allen Dingen gab es dann das Problem, in den Bunker zu kommen - ein großes Gedränge herrschte. Die erwachsenen Leute waren rücksichtslos und wurden hysterisch. Flaksplitter fielen schon, zwischen die Wartenden am Eingang des Bunkers. Ebenso war es ein Problem, die lange Zeit im Bunker zu überdauern. Man saß auf harten Bänken. An einigen der wenigen Tische, haben Mütter ihre Kinder gewickelt. Oftmals musste auf dem Fußboden gesessen werden. Viele Kinder waren ängstlich und konnten nicht schlafen.

Stromausfall war das Schlimmste. Es gab aber eine Notbeleuchtung.
Dann fiel auch die Lüftung aus. In jeder Etage gab es eine Ventilatoren-Station und in diesem Raum war die Maschine aufgestellt, die die Außenluft ansog und über Rohre in die Räume verteilte. Ebenso gab es eine Öffnung nach draußen, wenn geöffnet wurde, gab es wenigstens in dem Raum Außenluft, ohne dass ein Gebläse da war.

Am 14. Mai 1943 zerstörte eine Fliegerbombe das Mietshaus in der Iltisstraße Nr. 54, in dem der kleine Milchladen von Franz Horstmann war, der nach dem Krieg noch bis 1968 seine Ware aus einem Laden in der Ruine verkaufte.
Dieses Datum markiert einen der heftigsten und mit 354 Todesopfern verheerenden Bombenangriffe auf Kiel. Er betraf besonders den Stadtteil Gaarden und ereilte als erster Tagesangriff seit Juni 1941 die Bewohner besonders unvorbereitet.

In diesem Bombenhagel auf Gaarden fiel auf das Haus in der Iltisstraße Nr. 49 ein Blindgänger, der das Dach und alle vier Etagen durchschlug bis er auf dem Herd der Gaststätte liegen blieb.
Sträflinge in Sträflingskleidung haben diese Bombe entschärft und abtransportiert. Zunächst wurden die Schäden nur notdürftig repariert. Die Männer kamen aus dem Lager „Nordmark“ in der Rendsburger Landstraße, dort steht heute ein Famila-Markt.
Ein großes Loch im Fußboden des Trockenbodens erinnerte noch bis in die 1980er Jahre an diesen Kriegstag.
Eine weitere Bombe traf das Haus nebenan in der Gazellestraße. Es wurde total zerstört. Die Außenwände der angrenzenden Wohnungen im Haus Iltisstraße Nr. 49 wurden zerstört und mussten provisorisch wieder aufgebaut werden. Das Wohnzimmer in der ersten Etage blieb noch bis weit in die 1960er Jahre unbewohnbar und konnte von den Mietern nur als Abstellraum genutzt werden.
Aus dem Ruinen-Grundstück wurde sehr viel später dann der Biergarten der Gastwirtschaft „Bambule“ Der Keller mit dem Schutt des Hauses existiert heute noch.

Mit dem Beginn der Bombenangriffe 1941 wurde auf dem Turm der Schule eine Flak installiert. Beim Heraufziehen stürzte das Geschütz auf halbem Wege ab und musste durch ein neues ersetzt werden.
Im gleichen Jahr erhält das Schulgebäude bei dem ersten Luftangriff der britischen Royal-Air-Force, schwere Bombentreffer Als dann 1942: die Bombenangriffe auf Kiel an Häufigkeit und Schwere zunehmen, erhält auch die Schule wieder schwere Treffer und wird praktisch zur Ruine.
Der Schulunterricht fiel von 1943 bis zum 10. Januar 1946 aus. In dem schwer zerstörten Gebäudekomplex werden russische Kriegsgefangene untergebracht, die erst im Mai 1945 von den englischen Truppen befreit wurden.

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