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Gaarden Blog



Geschichten jetzt als Buch

Martin Geist     22.12.2016


Schöne Geschichten über Gaardens Geschichte veröffentlicht Walter Ehlert immer wieder auf der Gaardian-Seite. Nun ist ein Buch daraus geworden.

„Ein Chronist einer untergegangenen Zeit“: Das ist eine traurige Formulierung, mit der Dr. Jürgen Jensen in seinem Vorwort zum Buch „Gaardener Handel und Wandel in Geschichte und Geschichten“ das schreiberische Wirken des Verfassers Walter Ehlert einordnet. Es ist aber auch eine wahre Formulierung. Und bei Lichte betrachtet eine vielleicht doch nicht so traurige.
Es geht ja nicht nur um Handel in dem 280 Seiten starken Buch, hinter dem Jensen als Herausgeber und Vorsitzender der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte steht. Es geht nicht nur um all die schönen Fachgeschäfte, die mal waren. Es geht auch nicht nur um die vielfach längst zu Grabe getragenen Menschen, die hinter den Verkaufstresen dieser Geschäfte standen. Mal mütterlich waren die, mal kühl kalkulierend, mal fach- und sachverständig vom Scheitel bis zur Sohle und meist – wie wir Menschen halt so sind – mit ganz persönlichen Macken ausgestattet.
All das ist hübsch zu lesen in Ehlerts Buch. Und es weckt dabei – zumal bei älteren Gaardenern – gewiss so manches Mal Traurigkeit darüber, dass die Zeiten heute ganz andere sind. Kein Wunder, denn manche Geschichte ist einfach gar zu schön. Etwa die vom Straßenbahnfahrer Arnold Chall, der im Lotto gewann, sein Geld in die „Probierstube Minsel“ investierte und aus der täglich von 6 bis 18 Uhr geöffneten Schankstätte in der Elisabethstraße 56 eine wahre Goldgrube machte.
Schön und traurig zugleich ist auch die Geschichte von „Hut Schmidt“ an der Ecke Elisabethstraße/Augustenstraße. Nach 105 Jahren Firmen- und Familiengeschichte nahm die letzte Chefin Emmi Schmidt dort 1989 ihren Hut, fünf Jahre zuvor war das 100. Jubiläum noch wenige Meter weiter in der „Elbschlossquelle“ gefeiert worden. Auch wenn das Hutgeschäft nach seiner Schließung noch ein paar Jahre Karriere als Sporthaus machte und heute als Kiosk ein wenig spektakuläres Dasein fristet, steht diese Ecke von Gaarden nicht nur für Handel, sondern genauso für Wandel: Der Kiosk ist gut geführt und erfreut sich reger Nachfrage, die „Elbschlossquelle“ heißt seit mehr als 20 Jahren „Subrosa“, war das erste rein vegetarische Restaurant in ganz Kiel und hat sich als beliebter Szene-Treff etabliert.
Wirtschaft, das macht Ehlerts Buch deutlich, ist oft der erste und meistens der ehrlichste Spiegel der Gesellschaft. Altes muss sich verändern oder es verschwindet, so oder so entsteht Neues, das besser in die Zeit passt, die nun mal eben nicht stehen bleibt. Und beispielsweise dazu führt, dass die Leute nicht mehr schnuckelig in den Stadtteilen einkaufen, sondern in den großen Konsumtempeln auf einstmals grünen Wiesen.
Sogar Oberbürgermeister Ulf Kämpfer ist angesichts dessen etwas traurig, gab er gestern bei der Vorstellung von Ehlerts Buch zu. Geschäftsinhaber, so ganz und gar „verflochten mit ihren Stadtteilen“, das gebe es heute leider Gottes kaum noch. Was mit ein Grund dafür sein dürfte, dass das Interesse an diesem Stück Stadtgeschichte laut Verleger Ingwert Paulsen „ungeheuer groß“ ist: „Die Leute haben schon vorher immer wieder angerufen und wollten wissen, wann das Buch endlich herauskommt.“
Ehlert, der selber die ersten 30 Jahre seines Lebens in Gaarden verbrachte, trägt gleichwohl den größten Teil dazu bei, dass das Buch so begehrt ist. Über Monate und Jahre interviewte er die Kinder und Enkel der früheren Ladenbesitzer, sammelte die menschlichen Geschichten hinter dem puren Geschäft, bettete sie in zeitgeschichtliche Zusammenhänge ein und ließ so im denkbar positiven Sinn Vergangenheit wieder aufleben. Aufbereitet ist das – unter anderem dank eines umfassenden Personenregisters – im Übrigen sehr leserfreundlich.
Walter Ehlert, „Gaardener Handel und Wandel in Geschichte und Geschichten“, herausgegeben von Jürgen Jensen, Band 80 in der Reihe der Sonderveröffentlichungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Husum Druck- und Verlagsgesellschaft, 280 Seiten, 14,95 Euro.



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