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Gaarden Blog



Die letzte Konstante

Martin Geist     05.01.2016


In dieser bewegten Welt gibt es nur wenige Konstanten. Höchstens den Ortsbeirat Gaarden. Doch auch auf den ist irgendwie kein Verlass mehr.

Wetterunbilden, Krankheitswellen in den städtischen Ämtern, Schulferien: Für die Gaardener Stadtteilvertreter ist das in aller Regel kein Grund, eine Sitzung ausfallen zu lassen. Komme sonst noch, was da wolle, getagt wird jeden zweiten Mittwoch im Monat. Aber das bloße Tagen ist es nicht allein. Wenn der Ortsbeirat zusammensitzt, erfreut sich das Herz an einer Fülle von Ritualen, die wahrscheinlich ganz wesentlich dazu beitragen, dass der Besuch unabhängig von jeder Tagesordnung stets bestens ist.
Schon die Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung – andernorts eine bloße Formalie – gerät gleich am Anfang zum kleinen Event. „Was gibt es diesmal zu korrigieren?“, fragt sich der kundige Zuhörer jedes Mal aufs Neue gespannt. CDU-Ortsbeirat Fedor Mrozek nämlich muss schon einen ganz schlechten Tag haben, wenn er nicht mindestens ein Detail ausmacht, das irgendwie anders hätte formuliert werden müssen. Und er hat tatsächlich immer recht.
Unübertroffen übt auch Vorsitzender Bruno Levtzow sein Amt als Sitzungsleiter aus. Nicht nur, dass kraft seines Hinwirkens Gaarden der einzige Ortsbeirat ist, der sich regelmäßig eine Raucherpause gönnt, auch die Kunst des Kommentierens pflegt der SPD-Mann wie kein anderer. Egal ob sich Ratsherren, Ortsbeiräte oder normale Besucher äußern, Levtzow lässt es sich nicht nehmen, seine eigene Sicht der jeweils angesprochenen Dinge hinzuzufügen. Und beweist damit immer wieder, dass sich dank dieses taktischen Kniffs auch Sitzungen, in denen eigentlich nichts auf der Tagesordnung steht, locker auf zwei Stunden dehnen lassen.
Der langmähnige Linke Rolf Schrem zählt ebenfalls zu den verlässlichen Größen im Ortsbeirat, gibt sich zuweilen selber überrascht, dass er mit seinen trocken-giftigen Sprüchen immer wieder in der Zeitung zitiert wird. Mal bezeichnet er den umstrittenen Kiel-Kanal als „großes Pinkelbecken“, mal tadelt er die Verwaltung, bei der Einführung der Stadtteilschule genauso planlos vorgegangen zu sein wie einst die Fans der Atomkraft: „Das muss man doch vorher denken.“
Von den im Zweifel konsequent die Linie der eigenen Stadt-Partei verlassenden Grünen über FDP-Mann Rainer Kuberski mit der wohl durchdringendsten Stimme aller beratenden Ortsbeiratsmitglieder in Kiel gäbe es noch so manche liebgewonnene Konstante. Und die Summe dieser Konstanten führt dazu, dass jeder Monat ohne Sitzung des Ortsbeirats Gaarden als ganz und gar verlorener Monat erscheint.
Trotzdem müssen wir nun alle ganz tapfer sein: Die für kommenden Mittwoch vorgesehene Sitzung fällt aus. Tatsächlich aus. Ohne offizielle Angabe von Gründen zwar, doch wir vermuten an dieser Stelle qualifiziert, dass die Sessel in den städtischen Amtsstuben saisonbedingt so leer sind, dass selbst ein hartnäckiger Häuptling wie Bruno Levtzow beim besten Willen keine kompetenten Fachleute gewinnen konnte.
Nun gut. Für diesmal wollen wir es noch hinnehmen. Doch der Ortsbeirat sei scharf gemahnt, das ja nicht einreißen zu lassen! Was mit einem schönen Gruß auch der Wirt der Bambule unterstreichen dürfte: Ohne Sitzung gibt es schließlich keine Nachsitzung und damit empfindliche Umsatzeinbußen.


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