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Gaarden Blog



Nichts für Scharfmacher

Martin Geist     18.11.2015


Viele Einwanderer, viele Arbeitslose, viele Probleme. Als Gaardener kommt einem das irgendwie bekannt vor. Aber zum Glück gibt es Unterschiede zur Brüsseler Terror-Hochburg Molenbeek.

Erneut hat der Stadtteil im Westen der Europa-Hauptstadt im Zusammenhang mit den Anschlägen von Paris unrühmliche Bekanntheit erlangt. Natürlich ist in den Medien allüberall vom „Problemstadtteil“ die Rede. Was für Gaarden ebenso immer dann gilt, wenn überregionale Zeitungen oder Sender darüber berichten. Allerdings wird Molenbeek auch als „Hochburg der Dschihadisten“ bezeichnet. Und das immerhin ist zu Gaarden noch niemandem eingefallen.
Integration könne man in Deutschland eben besser, tönen deutsche Politiker von schwarz bis grün bemerkenswert selbstzufrieden, wenn sie auf solche Unterschiede angesprochen werden. Sie meinen damit unausgesprochen, dass es sich die Belgier wie die Franzosen irgendwie auch selbst zuzuschreiben haben, wenn sie Minderheiten und Benachteiligte in Quartieren ghettoisieren und damit ein Klima schaffen, in dem Radikalismus gedeiht.
Manches spricht freilich dafür, dass die Deutschen einfach Glück haben. Was das Beispiel Gaarden zeigt. Dort gibt es viele Moscheen und entsprechend viele Einwohner, die an den Islam glauben. Aber es handelt sich überwiegend um den Islam türkischer Prägung. Und es handelt sich überwiegend um türkischstämmige Gläubige, die in ihrer großen Mehrheit eine positive Haltung zu Deutschland haben.
Hinzu kommt möglicherweise das spezielle Kleinklima in diesem Kieler Stadtteil. Anders zu sein, ist dort so normal, dass man jeden so lässt, wie er ist. Eine Praxis, die wohl eine Mischung aus interkultureller Eingeübtheit und norddeutscher Gelassenheit darstellt – und jedenfalls so gar keinen Nährboden für Scharfmacher hergibt.
Davon abgesehen hat die Politik trotzdem keinen Anlass zum Sich-auf-die-Schulter-klopfen. Selbstverständlich landen Kieler, die nicht mindestens zur Mitte der Gesellschaft gehören, mit hoher Wahrscheinlichkeit in Mettenhof oder in Gaarden. Und selbstverständlich werden sie dort in vieler Hinsicht im Stich gelassen.
Glück wieder einmal, dass sich das relativ reiche Deutschland relativ gute Sozialleistungen zur Befriedung der Gesellschaft erlauben kann. Was man sich aber nicht leisten mag, ist Denken und Handeln in Prioritäten. Gaarden und Mettenhof brauchen zuallererst die besten Kindergärten und Schulen, die kleinsten Gruppen und Klassen, die besten Erzieherinnen und Lehrkräfte. Kurz: Sie brauchen Bildung. Auch zum Preis, dass anderswo Standards eingeschränkt werden müssen und es darob politischen Streit gibt.
Den gilt es auszuhalten, wenn wir keine Quartiere wollen, in denen nur noch aus Resignation gespeister Extremismus gedeiht.


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