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Gaarden Blog



Muskelmann und Sofa-Christ

Martin Geist     09.09.2015


Wer hat Angst vorm Muselmann? Wer sie hat, ist jedenfalls selber schuld dran.


Die Islamophobie von Pegida-Marschierern und anderen, die mit Fremden fremdeln oder ihm offen feindselig gegenüberstehen, ist im Grunde putzig. Gerade in Ostdeutschland, wo die christlichen Kirchen ein Dasein am Rande fristen, warnen diese Leute vor Islamisierung. Abgesehen davon, dass in Honeckers ehemaligem Revier so wenige Muslime leben, dass dort so gut wie keine Moscheen gibt, legt diese Angst eine andere Schlussfolgerung nahe: Sollen diejenigen, die wegen ein paar Andersgläubigen den Untergang des christlichen Abendlandes fürchten, doch einfach in ihre eigenen Kirchen gehen!
Die Muslime tun es schließlich auch. Man sehe sich nun eine beliebige Moschee zum Freitagsgebet an. Auf den Straßen drumherum tobt das Parkplatz-Chaos, in den Häusern drängen sich die Gläubigen dicht an dicht. Will man ihnen das vorwerfen und dabei selber als Sofa-Christ von Islamisierung schwafeln?
Die hiesigen Pastoren jedenfalls betrachten durchaus neidvoll, welch hohe Wertschätzung die Gotteshäuser der sagen wir mal religiösen Konkurrenz genießen. Nicht nur, was den Zustrom beim Gottesdienst betrifft, sondern den Umgang mit Kirchen überhaupt. Ein türkischer Freund erhielt einmal Besuch von einem Onkel, der zum ersten Mal in Deutschland war. Kaum angekommen, musste er mit ansehen, wie ein Betrunkener ans Gemäuer der Nikolai-Kirche pinkelte. Dass das immerhin nur von außen geschah, minderte das Entsetzen des Mannes nicht: „Was ist das für ein Land, in dem die Leute ihre eigenen Kirchen anpissen?“
Also erstens ordentlich benehmen und zweitens vielleicht wirklich mal in die eigene Kirche gehen. Was dem gesellschaftlichen Klima durchaus gut bekommen könnte, denn auffällig ist, dass gerade die aktiven Christen kaum Angst vor dem Islam verspüren. Wer sich mit Religion beschäftigt und gedanklich nicht gänzlich verbrettert ist, entwickelt vielleicht automatisch eine gewisse Toleranz. Es ist halt am Ende alles Glaubenssache.
Was wollen uns diese Worte sagen? Sie wollen uns für Freitag, 18. September, die Kieler „Nacht der Kirchen“ nahelegen. In der ganzen Stadt öffnen zahlreiche Kirchen der Stadt ihre Türen und werben mit Basteln, Musik, Mystagogie und allerlei anderen Angeboten genau um jene, die sich sonst allenfalls zu Weihnachten blicken lassen.
Auch die St. Matthäus-Kirche in Gaarden ist von 18 Uhr an dabei. Um 18.30 Uhr beginnt dort ein Skat-Turnier oder alternativ ein „Mensch-ärger-dich-nicht rund um die Welt“. Wer schon immer wissen wollte, wie dieses beliebte Spiel der Schadenfrohen auf kommunistisch geht, für den lohnt ein Kirchenbesuch schon aus diesem Grund. Zum Ausklang wird es dann plattdeutsch mit Musik der Gruppe „Speellüüd“.
Doch zurück zum Thema. Die Matthäus-Kirche ist in Kiel vielleicht die einzige Kirche, die vom Zuspruch her mit den Moscheen mithalten kann. Was maßgeblich daran liegt, dass dort Nächstenliebe nicht nur gepredigt, sondern auch in echt umfassendem Ausmaß praktiziert wird. Unterm Dach der Sozialkirche bei Katzheide befindet sich die Kieler Tafel, es gibt Tauschbörsen, und für alle mit Sorgen und Ängsten Beladenen ist immer jemand da, der ein offenes Ohr hat.
Richtig ist zwar, dass die meisten Besucher nicht dem lieben Gott zuliebe kommen, sondern weil sie sozial bedürftig sind, doch das ist kein Grund, dieses Haus klein zu reden. Wer es betritt, der spürt irgendwie: So muss Christentum irgendwann einmal gedacht gewesen sein.


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