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Gaarden Blog



Lernt von diesem Stadtteil!

Martin Geist     28.08.2015


Anderswo treiben Brandstifter und dunkeldeutsche Dumpfbacken ihr Unwesen, in Gaarden dominiert die Toleranz. Aus guten Gründen.

Die Fremden, sie gehören dazu in einer Stadt mit Meer und Hafen. Das erklärt zu einem guten Teil, weshalb sich Kiel selbst in diesen von Flüchtlingshysterie geprägten Zeiten sehr unaufgeregt präsentiert. Wenn der Oberbürgermeister und andere ranghohe kommunale Häupter erfreut verkünden, dass Kiel eine bemerkenswert weltoffene Stadt sei, dann ist das tatsächlich mehr als PR-Rhetorik.
Aus Gaardener Sicht möchten wir auffordernd hinzufügen: Lernt von diesem Stadtteil! Gewiss ist nicht alles gut, aber das Mit- oder wenigstens friedliche Nebeneinander der Kulturen funktioniert hier wirklich gut.
Nicht einfach so, sondern weil es geübt wurde. Mehr als 50 Jahre ist es her, dass die ersten noch Gastarbeiter genannten Ausländer kamen, um den akuten Personalnotstand der Werften zu lindern. Schön war das zunächst nicht für die Fremden. Sie wurden in Baracken verfrachtet, hatten außerhalb der Arbeit so gut wie keinen Kontakt zu den Einheimischen, und die deutsche Sprache brachte ihnen auch niemand bei. Warum denn? Die würden ja bald wieder in ihre Heimat fahren. Dachte man.
Es kam anders, und die Folgen der auch danach lange Zeit vernachlässigten Integration zeigen sich bis heute. Aber trotzdem: In Gaarden haben die Menschen Erfahrung im Zusammenleben mit Fremden. Selbst der Bau eines Minaretts – anderswo immer gut für hitzige Diskussionen – wird hier gelassen zur Kenntnis genommen.
Dass solche Erfahrung von entscheidender Bedeutung ist, zeigt sich in Ostdeutschland. Dort verbrüdern sich Nazis und Bürgerliche, weil sie Angst vor Flüchtlingen haben oder mit solchen Ängsten Politik machen wollen. Natürlich ist das schäbig und geschichtslos obendrein. Denn gerade die Ostdeutschen müssten eigentlich wissen, wie unwürdig ein Leben in Unterdrückung und Unfreiheit ist. Und sie müssten deshalb besonders gut nachvollziehen können, wie es jenen ergeht, die darüber hinaus stetig um ihr Leben fürchten müssen.
Vielleicht wäre es eine gute Idee, solche Leute für eine gewisse Zeit zum Praktikum nach Gaarden zu schicken. Vielfalt könnten sie dort jeden Tag schon auf dem Bürgersteig erleben. Und erfahren, wie lebendig solche Orte im Gegensatz zu Regionen kleinbürgerlicher Gleichförmigkeit sind.
Immer wieder lässt sich in Gaarden zudem auch richtig etwas lernen über andere Kulturen. Beispielsweise am Sonntag, 6. September, zum Europäischen Tag der jüdischen Kultur. Um 12 Uhr beginnt bei der Jüdischen Gemeinde Kiel und Region in der Wikingerstraße 6 ein Workshop für jüdischen und israelischen Volkstanz. Eine Führung durch die Räume des Gemeindezentrums ist für 13 Uhr vorgesehen, und um 13.30 Uhr wird ein Imbiss mit traditionellen jüdischen Gerichten aus Osteuropa serviert. Eine kleine Einführung in die jüdische Sprache wird um 15 Uhr vermittelt, und zum Abschluss gibt es um 16 Uhr einen Workshop mit jiddischen und hebräischen Liedern. Eine Anmeldung zu dem in Zusammenarbeit mit dem Jüdischen Kultur-und Förderverein Aschkenas organisierten Tag ist nicht erforderlich. Die Teilnahme an den Workshops kostet nichts, nur fürs Essen werden drei Euro verlangt.


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