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Gaarden Blog



Beton und Projektion

Martin Geist     31.05.2015


Krieg ist nicht irgendwo. Das sagt uns der Iltisbunker und eine beklemmende Mahnung in Form einer Videoprojektion.

Shahin Charmi schloss vor etwas mehr als 25 Jahren sein Malerei-Projekt „Revolution und Krieg“ am Iltisbunker ab. Dass dieser Trutzbau seinen eigentliche Zweck erfüllte, liegt schon 70 Jahre zurück. Und doch ist nicht alles weit weg.
Zum Beispiel weil es Erinnerungen gibt. Und Leute wie Walter Ehlert, die zwar noch nicht persönlich dabei waren, sich jedoch diese Erinnerungen erzählen lassen und sie aufschreiben. Er schilderte am Sonnabend zum Auftakt der Kunst-Aktion, wie die kleinen Leute den Bunker erlebten. „Stromausfall war das Schlimmste, dann fiel auch die Lüftung aus“, heißt es an einer Stelle.
Und es ist die Rede von einem Bombenangriff auf das Gebäude der Iltishalle, die heute Bambule heißt. Ein Blindgänger durchschlug das Dach des Hauses, landete schließlich unten auf dem Herd der Gaststätte. Häftlinge aus dem KZ Russee, offiziell Arbeitserziehungslager Nordmark genannt, mussten die Bombe herausholen. Sie überlebten – wenigstens für dieses Mal.
Solche Schilderungen, verbunden mit Zahlen, wonach die Kieler im Krieg 633 Vollalarme erlebten und manchmal 300 und mehr Menschen an einem Tag den Bomben zum Opfer fielen, stimmten die zahlreich erschienen Besucher darauf ein, dass Krieg nicht einfach weit weg ist. Nicht räumlich und eben auch nicht zeitlich. 180 Millionen Tote forderten laut Shahin Charmi die Kriege des 20. Jahrhunderts, die Fähigkeit der Menschen, aus der Geschichte zu lernen, hält er insofern für stark überschätzt.
Vielleicht tragen Aktionen wie die von Charmi und seiner Frau Patricia dazu bei, entsprechende Einsichten zu befördern. Verstörende Bilder zu verstörenden Klängen der Minimalmusikerin Dörte Marth alias Xyramat legten sich über Rosa Luxemburg, meuternde Matrosen und andere Motive, die Charmi 1989 an die Bunkerwand gemalt hatte. Krieg um Krieg tauchte in kurzen Sequenzen auf und hinein in die in den vergangenen Wochen fotografierten „Gardener Gesichter“. Will heißen: Sie gehen uns alle etwas an, diese Kriege.
Auch der Iltisbunker sollte alle etwas angehen. Meinte zumindest der ehemalige Stadtpräsident Rolf Johanning, der die Aktion eröffnete und dabei detailreich schilderte, wie umstritten die Malerei einmal war. Wie die CDU über „sozialistischen Realismus“ schäumte, die grünen Ratsfrauen angesichts blanker Brüste „frauenfeindliche Darstellung“ beklagten und eine Überarbeitung des Werks unter Mitwirkung der Gleichstellungsbeauftragten forderten.
Nicht zuletzt plädierte Johanning, der von 1970 bis 1991 Gaardener Ratsherr war, für eine Restaurierung des stark angegriffenen Bunkerbildes. Denn auch wenn die frühere Aufregung passé ist, wird dieses Werk nach seiner Überzeugung noch lange nötig sein, um darauf hinzuweisen, dass der Krieg keine abstrakte Angelegenheit ist.


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