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Gaarden Blog



Gangstertum als Lebenshaltung

Martin Geist     25.04.2015


Seine bisher buntesten Blüten treibt in diesen Tagen der Gaardener Kulturfrühling.


Allein am Freitag zeigten drei völlig unterschiedliche Veranstaltungen, was alles so im Stadtteil steckt. Die Kultur der Reparatur wurde im Vinetazentrum beim mittlerweile dritten Werftstadt-Café gepflegt. Wobei der Name des Schrauber-Events nicht von ungefähr kommt. Die meisten der ehrenamtlichen Reparateure sind tatsächlich ehemalige Werftarbeiter, und Café gab’s natürlich auch.
Und so wurde wieder einmal so manches kleine Wunder an Handmixern, Videorekordern, Notebooks, Spielzeug und was sonst noch auf den Tischen landete vollbracht. Allerdings bei etwas schwächerem Zulauf als sonst. Das schöne Wetter und die Tatsache, dass nicht an einem Sonnabend, sondern an einem Freitag repariert wurde, waren wohl die Gründe dafür.
Jede Menge geladene Gäste strömten dagegen am Abend ins Restaurierungszentrum zur Eröffnung der neuen Dauerausstellung „Kein Ende in Sicht – Die Kunst des Bewahrens“. Fachleute aus ganz Schleswig-Holstein äußerten sich begeistert darüber, wie professionell und anschaulich die Arbeit der Restauratoren in all ihren Facetten dargestellt wird. Und Stadtrat Gerwin Stöcken lobte diese Initiative in der Kaiserstraße als Beispiel dafür, welche Potenziale in Gaarden stecken. Sein Wunsch: Möglichst viele Besucher von außerhalb sollen sich ein Bild davon machen.
Heute ist das übrigens noch bis 19 Uhr möglich.
Nach der Kultur der Reparatur und der Kultur des Bewahrens wurde am Freitagabend schließlich die Kultur des Gangsterums gepflegt. Ja ganz recht: Im Medusa-Café las Ertan Ongun aus seinem demnächst erscheinenden Buch „Gangster GmbH“ und gewährte dem Publikum intime Einblicke ins Milieu. Erzählt wird die Geschichte von Onguns Cousin „Türken Musa“, der in den 1990er Jahren zur gefürchteten Kiez-Größe aufstieg. Detailreich, wirklichkeitsnah und durchaus differenziert beschreibt Ongun, dessen eigene kriminelle Biographie den Stoff für Feridun Zaimoglus Bestseller „Abschaum“ lieferte, Aufstieg und Fall einer Milieu-Größe.
„Kanacke zu sein ist immer ein Nachteil“, lautet einer jener Sätze, die ein in der zweiten Gastarbeiter-Generation sehr verbreitetes Lebensgefühl beschreibt: „Irgendwie fühlt man sich zugehörig, andererseits wird man ausgegrenzt“.
Ertan Ongun selbst wurde Gangster, weil er seinen Cousin aus Hamburg sehr cool fand. Und aus Protest gegen eine Gesellschaft, die zwar die Arbeitskraft seines Vaters wollte, an ihm als Menschen aber völlig uninteressiert war. Gangster zu sein, ist für Ongun (der mir Kriminalität schon lange nichts mehr am Hut hat) insofern eine Lebenshaltung: „Es geht darum, das eigene Gewissen über das Gesetz zu stellen.“


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