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Gaarden Blog



Gaarden-Tatort zwischen Klischee und Realität

Martin Geist     29.03.2015


Pures Abbild der traurigen Wirklichkeit? Oder bloß das Klischee hochgehalten? Der neue Kiel-Tatort „Borowski und die Kinder von Gaarden“ dürfte auf jeden Fall Anlass zu Diskussionen geben. Wieder einmal.


Erst in der vorangegangenen Folge schnüffelte der gute alte Borowski unter lauter degenerierten Dorfdeppen nach Chrystal Meth. Was im Publikum von betonter Gelassenheit bis zu empörtem Protest die ganze Palette möglicher Reaktionen bediente. Nun also war der Kieler Stadtteil Gaarden dran. Das Quartier mit den dicksten Kindern, die obendrein die schlechtesten Zähne haben und mit hoher Wahrscheinlichkeit nie ein Gymnasium von innen sehen werden.
Armut, seelische Verwahrlosung, Hilflosigkeit, pädophile Abartigkeit, dieser Tatort lässt nichts aus. Ja, so können Menschen sein. Und erst recht ja: Manche Menschen haben ein ausgesprochen beschissenes Leben. Ob sie wollen oder nicht. Oft genug wollen sie es nicht. Die alleinerziehende Mutter, die ihre Söhne nicht im Griff hat, weil sie nicht einmal annäherungsweise sich selbst im Griff hat, ist kein schlechter Mensch. Sie ist nur hilflos, desorientiert, unterwegs auf einer Reise, die überall hinführen mag, aber gewiss nicht in die bürgerliche Vorstadt.
Und dann gibt es den Pädophilen, der das natürlich auch nicht sein wollte, weil halt niemand entscheiden kann, heterosexuell, schwul oder pädophil zu sein. Und menschlich war dieser Pädophile sogar. Manchmal. Ein bisschen. Sagt der Streifenpolizist, den eine besondere Beziehung mit dem Mordopfer verbindet.
Auch die Kinder von Gaarden scheinen das so zu sehen. Jedenfalls gehen sie ein und aus bei dem Pädophilen. Bis er eben tot zwischen seinem Müll im Wohnzimmer liegt. Nein, sie fanden es nicht toll bei diesem Mann. Und es blieb dem TV-Publikum glücklicherweise erspart, mit anzusehen, was er mit ihnen gemacht hat. Es war schlimm genug, so viel ist klar. Aber es war halt auch so, dass wenigstens jemand da war, der auf einen wartete.
Überhaupt ist dies das eigentliche Thema des Gaarden-Tatorts: Das traurige Leben von Menschen, die einfach nur geliebt werden wollen und doch immer wieder enttäuscht werden. Wunderschön und tief schmerzvoll zugleich nimmt das die Schluss-Szene auf: Der Hund, um den sich einer der Jungen aufopfernd gekümmert hat, nimmt Reißaus, rennt einfach immer weiter die Straße lang. Hauptsache weg. Wieder ein geplatzter Traum von Liebe.


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